Melk

Der Überlebenskampf im Lager

Innerhalb des einjährigen Lagerbestehens kamen im KZ-Außenlager Melk 4.896 Häftlinge ums Leben, mehrere Hundert weitere Melker Häftlinge starben nach der Evakuierung des Lagers in Ebensee und Mauthausen an den Folgen der Zwangsarbeit in den Stollen. Für die extrem hohe Zahl an Todesopfern im KZ-Außenlager Melk gibt es mehrere Begründungen: Schwere körperliche Arbeit, hohes Arbeitstempo und viele Arbeitsunfälle bei der als besonders kriegswichtig angesehenen Zwangsarbeit in der Stollenanlage unter dem Wachberg in Roggendorf, mangelhafte Ernährung und unzureichende Bekleidung und Unterbringung in den Baracken am Gelände der Birago-Kaserne. All diese Formen struktureller Gewalt führten zu den vielen krankheitsbedingten Todesfällen unter den körperlich stark geschwächten KZ-Häftlingen. Hinzu kamen auch verschiedene Formen direkter Gewaltausübung: Dazu zählten regelmäßige Misshandlungen durch die Wachmannschaften, einzelne Funktionshäftlinge sowie durch Zivilarbeiter, aber auch gezielte Morde. Diese erfolgten beispielsweise durch tödliche Injektionen, die von dem SS-Sanitätsdienstgrad Gottlieb Muzikant im Melker Häftlingsrevier verabreicht wurden, sowie Erschießungen und körperliche Misshandlungen.

Der Ofen der Firma Kori im Melker Krematorium, Foto NLK, 1963. Innerhalb von ca. fünf Monaten wurden in diesem Ofen, der von der Firma Kori eigentlich für die Tierkörperverwertung konstruiert wurde, rund 3.500 Leichen verbrannt, Foto NLK, 1963..Der sukzessive Anstieg der Todesrate zwischen April 1944 und der Lagerräumung im April 1945 zeigt zudem, dass sich die Lebensbedingungen mit Fortdauer des Lagerbestehens sukzessive verschlechterten. So starben im Zeitraum April bis Juni 1944 durchschnittlich 1,5 Häftlinge pro Tag, von Juli bis September starben im Schnitt drei Häftlinge pro Tag, von Oktober bis Dezember stieg die Zahl der täglichen Todesopfer auf 16,5 Häftlinge pro Tag und schnellte ab Jänner 1945 auf eine Zahl von durchschnittlich 30 Todesopfern pro Tag nach oben. In Anbetracht dieser enormen Anzahl von Toten, begann die Lager-SS bereits im Spätherbst mit der Errichtung eines lagereigenen Krematoriums, das im Dezember 1944 den Betrieb aufnahm. Zwischen Dezember 1944 und der Lagerschließung im April 1945 wurden im Krematoriumsofen der Firma Kori rund 3.500 Leichen verbrannt.

Von den insgesamt 4896 Todesopfern des KZ Melk kamen fast ein Drittel (1.591 Männer oder 32,5 Prozent) aus Polen, die zweitgrößte Gruppe waren (fast ausschließlich jüdisch kategorisierte) Häftlinge aus Ungarn (1.434 Männer oder 29,3 Prozent). Mit rund 11 Prozent (547 Männer) stellten die französischen Häftlinge in Melk die drittgrößte Opfergruppe, gefolgt von sowjetischen (435 Männer oder 8,9 Prozent) und italienischen Häftlingen (312 Männer oder 6,4 Prozent). Lässt man die nationale Herkunft außer Acht und blickt auf die Haftkategorien, so zeigt sich, dass die Todesrate bei jüdisch kategorisierten Häftlingen überproportional war. Sie stellten rund 40 Prozent der KZ-Häftlinge in Melk, gleichzeitig waren rund 42 Prozent der Todesopfer als jüdisch kategorisiert. Zum Vergleich: Die Todesrate im KZ Melk insgesamt lag bei rund 34,2 Prozent.